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Die Voraussetzungen für den Partizipationsprozess Hermannplatz sind denkbar schlecht. Aus der obersten politischen Führung des Landes wurden mit einem sogenannten „Letter of Intent“ Zusagen an einen international einschlägig bekannten Investor für Bauprojekte gegeben, die in dieser Form überhaupt nicht hätten geleistet werden dürfen. Formal, weil die drei unterschreibenden Senator:innen, Michael Müller, Ramona Pop und Klaus Lederer,  eben kein Parlament ersetzen und  derzeit auch nicht die zuständige Genehmigungsbehörde waren. Politisch, weil mit diesem Prozedere alle Versuche der letzten Jahre, offenen Bürger:innenbeteiligungen einen festen und zentralen Platz in Berlin zu geben, mit einem Handstreich weggewischt wurden. Der Senatsverwaltung kommt nun die undankbare Aufgabe zu, trotz besseren Wissens – denn die bezirklichen Genehmigungsbehörden von Neukölln und Kreuzberg-Friedrichshain hatten dem Projekt bereits eine klare Absage erteilt – zu garantieren, dass die drei von SIGNA unter Druck gesetzten Spitzenpolitiker:innen nicht wortbrüchig werden. Gleichzeitig ist die Verwaltung aber auch für die Durchführung eines ordnungsgemäßen Beteiligungsprozesses zuständig – und scheitert damit gerade desaströs.

Viel Vertrauen und Glaubwürdigkeit wurden bereits im Vorfeld auf politischer Ebene verspielt. Der Rest durch – im besten Falle Blauäugigkeit, im schlimmsten Falle Kalkül – der Prozessverantwortlichen. Dass die Auftaktveranstaltung am 5. November 2021 kein Selbstläufer würde, dürfte sich im Vorfeld abgezeichnet haben. Die Raumaufteilung mit hell angestrahltem Podium und abgedunkeltem Zuschauer:innenraum war in diesem Zusammenhang zwar ehrlich, aber bestimmt nicht hilfreich. Es hätte aber den Beteiligten klar sein müssen, dass etwa die wiederholte Behauptung, der Prozess sei ergebnissoffen, von den Bürger:innen nur als Hohn verstanden werden konnte, wenn doch gleichzeitig die (voraussichtlich) künftig Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey immer wieder in den Medien das Gegenteil verkündet.

Überhaupt versuchte man an diesem Tag immer wieder das aktuelle Partizipationsverfahren als getrennt von den Investorenplänen für das Karstadt-Gelände darzustellen. Das wäre grundsätzlich keine verkehrte Idee, aber dann muss man auch ehrlich und konsequent damit umgehen: Dann muss der „Letter of Intent“ als gegenstandslos erklärt, SIGNA vom Prozess ausgeschlossen und das Verfahren wieder zeitlich gestreckt werden. Stattdessen findet aber eine völlig intransparente Themensetzung und -vermischung statt. Geht es etwa in der Diskussion um den Platz oder um das Kaufhaus?

Die Werkstatt zum Thema Hochbau, Städtebau und Denkmalschutz beantwortete diese Frage auf ihre ganz eigene Art: Es gab einen Tisch, der nur über das Kaufhaus diskutieren sollte und der andere nur über die Gebietsabgrenzung. Zentrum ist also das Karstadt-Gelände, dessen Umfeld nur noch abgesteckt werden muss. Unbestreitbar ist das Warenhaus ein prägender Baukörper am Hermannplatz. Doch was das Bestandgebäude auszeichnet ist, dass es durch seine zurückgenommene Bauhöhe versucht dem Hermannplatz ein Eigenleben als Stadtplatz zu ermöglichen, ohne von seiner schieren Baumasse erdrückt zu werden. SIGNA möchte hingegen mit seinem Neubau den Hermannplatz zum Kaufhausvorplatz degradieren und genau diese Richtung wurde in der Werkstatt mit der Themensetzung vorgegeben. Folgerichtig wurde einer Vertreterin des von SIGNA beauftragten Architekturbüros, Chipperfield Architects, auch das Podium für einen Inputvortrag überlassen, um ihre Positionen zu erläutern – was auf Nachfrage von den Prozessverantwortlichen nicht mal als Problem erkannt wurde. Ins Absurde gerät die Sache dann, wenn eine Werkstatt im Partizipationsverfahren auch noch zum Großteil durch die eigenen Verwaltungsangestellten besetzt wird – hier wird aus Bürger:innenbeteiligung eine von Steuergeld bezahlte Selbstbeteiligung.

Zum Kommunikations–GAU entwickelte sich außerdem auch die Informationspolitik der Verwaltung: Informationen wurden trotz Zusage nicht veröffentlicht oder erst auf direkte Nachfrage scheibchenweise präsentiert. Dabei geht es nicht um kleine Lappalien, sondern um zentrale Punkte wie etwa, dass der Senat das Verfahren vom Bezirk an sich gezogen hat, oder dass es bereits Vorabsprachen mit einer Einigung zwischen der Denkmalbehörde und SIGNA bezüglich des Denkmalstatus des Warenhauses gab.

Mit der neuesten Entscheidung, die ursprünglich für den 9. Dezember 2021 angekündigte öffentliche Abschlussveranstaltung durch „ein Format mit Videos und Podcasts“ zu ersetzen, welches ab 22. Dezember online verfügbar sein soll, hat sich in der Verwaltung offensichtlich die Überzeugung durchgesetzt, dass Bürger:innenbeteiligung am besten ohne Bürger:innen funktioniert und hofft jetzt wohl unter der Deckung der Weihnachtsfeiertage diesen ersten Verfahrensblock zu einem halbwegs geordneten Abschluss zu führen.

Die Leitlinien zur Bürger:innenbeteiligung sind jedoch keine Schönwetter-Richtlinie, sondern dienen dazu die Qualität von Prozessen und damit auch deren Ergebnisse zu verbessern. Wenn es in diesem Verfahren nicht einmal gelingt die Hälfte dieser Grundsätze zu erfüllen, schadet dies nicht nur dem einzelnen Bauprojekt, sondern auch der Qualität von Bürger:innenbeteiligungen in Berlin insgesamt. Dass die Bemühungen der letzten Jahre um eine Stärkung der Bürger:innenbeteiligung und das dabei aufgebaute Vertrauen im Zuge der Entwicklung des Hermannplatzes gleich mit abgekanzelt werden mag für manche politische Fraktionen ein wünschenswerter Nebeneffekt sein, man sollte allerdings nicht vergessen, dass es sich bei Bürger:innenbeteiligungen nicht um ein Almosen der Regierenden handelt, sondern um erkämpfte Mitbestimmungsrechte – dass diese widerstandslos abgetreten werden, wäre mit Blick auf die jüngere Berliner Geschichte naiv zu glauben.