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In der Pressemitteilung vom 28.05.2020, die auf der Seite der Interessengemeinschaft „AG City e.V.“ zu finden ist, wird die Entwicklung der „Charta City West 2040“ von der ersten Kuratoriumssitzung am 09.09.2019, dem anschließenden „Dialogverfahren“ mit 7 Workshops bis hin zu den 79 Zielen der Charta beschrieben. Dabei wird der Vorsitzende der AG City, Klaus-Jürgen Meier, mit den Worten zitiert, dass die Charta City West 2040 als Grundlage für die gemeinsame Gestaltung der Zukunft dienen soll.

Schon diese Pressemitteilung vermittelt den Eindruck, dass diese Charta nach Ansicht ihrer Initiatoren*innen und Träger*innen einen maßgeblichen Einfluss auf alle Aspekte der Stadtentwicklung in der City West in den kommenden 20 Jahren entfalten soll. Diesem Anspruch von Interessenvertreter*innen aus Wirtschaft, weiteren gesellschaftlichen Gruppen und Vertreter*innen der Bezirkspolitik hält unsere Inititiative entgegen, dass die Interessen der Bewohner*innen der City West, aber insbesondere der Bürger*innen der Gesamtstadt in der Charta nicht ausreichend berücksichtigt werden. Deshalb ist für uns folgerichtig, dass der Senat von Berlin aufgrund der gesamtstädtischen Bedeutung die weitere planerische Entwicklung der City West an sich zieht und damit sowohl wirtschaftliche Interessen einzelner Akteure zurückgedrängt werden, als auch Interessen des Gemeinwohls deutlich stärker Berücksichtigung finden (werden).

Viele bedeutsame stadtplanerische Entscheidungen wurden seit dem Mauerfall weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit getroffen, was zum Teil auch daran liegt, dass der Kreis der an gesamtstädtischen Fragen interessierten Bürger*innen eher klein ist. Das seit einigen Jahren angebotene Format der Bürger*innen-Beteiligung auf der vom Senat betriebenen Beteilungsplattform meinBerlin gibt per heute 30.931 eingereichte Kommentare und Ideen an. Bei vielen Beteiligungsverfahren übersteigt die Zahl der Beiträge von Bürger*innen kaum die Zahl von 100. So verwundert es nicht, dass die Berliner Morgenpost am 14.07.2020 vermeldet, dass die Bürger*innenbeteiligung an der Charta City West bis zu jenem Zeitpunkt schleppend verlaufen ist und am Verfahren Interessierte auf der Plattform „meinBerlin“ erst 39 Vorschläge eingebracht haben.

Unabhängig von der nur vom Senat und dem Abgeordnetenhaus zu klärenden Grundsatzfrage, wie die Interessen von Bewohner*innen, Unternehmen und weiteren gesellschaftlichen Gruppen bei der weiteren Entwicklung der City West zu gewichten und zu berücksichtigen sind, sollte sowohl der Inhalt als auch der Entstehungsprozess der „Charta City West 2040“ einer kritischen Bewertung unterworfen werden. Eine Detailkritik der gesamten Charta und insbesondere der 79 Einzel-Ziele würde hier zu weit führen. Die Initiative beschränkt ihre Kritik daher an dieser Stelle auf drei übergeordnete Punkte:

1.) Die Verwendung des Begriffs „Charta“

In den Sozialwissenschaften wird seit längerem der Begriff des „Framing“ verwendet, der auch längst bei politischen und gesellschaftlichen Auseinandersetzungen eine Rolle spielt. Ein aktuelles Beispiel für Framing ist die Bezeichnung „Umweltbonus“ für das Förderprogramm zum Kauf von E-Autos, womit die massive Subventionierung der Autoindustrie verschleiert bzw. schöngeredet wird. Übertragen auf den Begriff „Charta“: Dabei denken die meisten Menschen wohl zuerst an die UN-Charta. Nach Wikipedia bezeichnet man damit „die für das Staats- und Völkerrecht grundlegenden Urkunden“. Mit Verwendung des Begriffs „Charta“ wollen die Verfasser*innen wohl suggerieren, dass es sich hier um ein besonders wichtiges Dokument handelt, das die Interessen der gesamten Stadtgesellschaft ausgewogen berücksichtigt.

2. ) Die Zusammensetzung der Teilnehmenden

In der Fassung der „Charta City West 2040“ vom 22.04.2020 sind alle an der Erarbeitung der Charta Beteiligten aufgelistet, darunter die Mitglieder des Kuratoriums und die Teilnehmenden. Dabei fällt schon auf den ersten Blick das zahlenmäßige Übergewicht der privatwirtschaftlichen Akteure auf. Von den 15 Mitgliedern des Kuratoriums sind nur zwei Mitglieder (der Pfarrer der Gedächtniskirche und der Baustadtrat) nicht in bzw. als Interessenvertreter*innen der Privatwirtschaft tätig. Bei den Teilnehmenden ist das Ungleichgewicht zwischen den 15 nicht rein privatwirtschaftlich tätigen Mitgliedern zu den 35 in bzw. als Interessenvertreter*innen der Privatwirtschaft etwas geringer. Angesichts des für City-Bereiche von Metropolen vergleichsweise hohen Wohnnutzungsanteils in der City West ist die zuvor beschriebene Zusammensetzung mit Sicherheit nicht repräsentativ.

3.) Der Anspruch, die Masterplanung der City West bis zum Jahr 2040 zu bestimmen

In unserer freiheitlichen Gesellschaft kann sich jede Bürgerin und jeder Bürger, egal in welcher gesellschaftlichen Funktion, zu Fragen des Gemeinwesens äußern und für die Berücksichtigung der eigenen Interessen kämpfen. Wer die 79 Ziele und die sich anschließenden Abschnitte „Räumliches Leitbild“, „Mobilitätskonzept“und „Betreiberkonzept“ durchliest, wird wahrscheinlich von der schieren Menge der Detailinformationen und Forderungen überrollt und verliert den Überblick. Die Initiative hat jedenfalls erhebliche Zweifel, dass diese Handlungsempfehlungen, selbst wenn sie teilweise den Interessen der gesamten Stadtgesellschaft dienen sollten, von den zuständigen Handlungsträgern umgesetzt werden können.

Möglicherweise soll diese Flut von Handlungsempfehlungen und Einzelforderungen auch nur die Interessen der Immobilienwirtschaft an der  Wertsteigerung ihres Bestandes und der Mobilisierung von zusätzlichen Bauflächen verschleiern! In diesem Zusammenhang sei u.a. auf den Abschnitt „Städtebau und Architektur“ verwiesen, wo es im Punkt 71 heißt: „Die City West setzt primär auf vertikale Verdichtung“. Im Punkt 78 steht „Die City West strebt für die auf Basis dieser Ziele in einem Rahmenplan zu definierenden Potentialflächen für Höhenentwicklung die IBA Hochhaus mit dem Titel……..an, die das Ziel hat, modellhaft die Umsetzung der hier definierten Ziele im Kontext von Hochhäusern zu sichern“.

Wer jetzt die Liste der Teilnehmenden der Charta zur Hand nimmt, findet dort u.a. den Architekten des Hochhauses „Upper West“, Christoph Langhof, einen Manager der SIGNA Holding, die auf dem „Karstadt-Areal“ am Kurfürstendamm Hochhäuser errichten will sowie Mitglieder der Pepper-Unternehmensgruppe, der das Europacenter gehört.