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Dem Einsatz der „Open Knowledge Foundation e.V.“ ist es zu verdanken, dass die am  03.08.2020 abgeschlossene „Vereinbarung (Letter of Intent) über den Erhalt von Warenhausstandorten der GALERIA Karstadt Kaufhof GmbH sowie über die Investitionen der SIGNA-Gruppe in städtebauliche Projekte im Land Berlin“ das Licht der Öffentlichkeit erblickt hat. Der Text dieser Vereinbarung, die zwischen den Senatsmitgliedern Michael Müller, Ramona Pop und Dr. Klaus Lederer sowie der SIGNA Prime Selection AG und der GALERIA Karstadt-Kaufhof GmbH abgeschlossen wurde, ist auf der Plattform „FragdenStaat“ im Blogartikel Karstadt-Deal im Wortlaut : Berlin bekommt Hochhäuser für Arbeitsplätze zu finden.

Vielen Bürgerinnen und Bürgern ist wahrscheinlich nicht bewusst, dass (vertragliche) Vereinbarungen zwischen staatlichen Institutionen und privaten Unternehmen nicht zwingend offengelegt werden müssen. Nicht selten wird ein Antrag auf Akteneinsicht oder Aktenauskunft gemäß „Informationsfreiheitsgesetz Berlin“ von den zuständigen staatlichen Stellen  mit dem Hinweis abgelehnt, dass dadurch ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis offenbart werden würde oder den Betroffenen durch die Offenlegung ein nicht nur unwesentlicher wirtschaftlicher Schaden entstehen könnte. Vor diesem Hintergrund werden nicht wenige Kenner*innen der „Szene“ überrascht gewesen sein, dass der LoI nur 11 Tage nach seinem Abschluss offengelegt wurde. Ist das vielleicht ein Indiz für das schlechte Gewissen der Senatsmitglieder angesichts des offensichtlich „schlechten Deals“ für das Land Berlin und das Gemeinwohl?

Jedenfalls haben u.a. die Berliner Zeitung, Neues Deutschland, Tagesspiegel und TAZ in den Wochen nach dem „Karstadt-Deal“ kritische Berichte dazu veröffentlicht und die Partei „DIE LINKE“ hat sich auf ihrem Parteitag am 22.08.2020 gegen den „Karstadt-Deal“ ausgesprochen. Schon am 14.08.2020 erscheint in der Berliner Zeitung ein Artikel mit der Überschrift „Rettung der Warenhäuser : Karstadt-Deal womöglich rechtswidrig„. In diesem Artikel wird berichtet, dass der Bezirkstadtrat von Friedrichshain-Kreuzberg, Florian Schmidt, eine juristische Prüfung des LoI veranlasst hat. Die entsprechende Stellungnahme des Stadtentwicklungsamts/Bereich BauJur ist auf der Plattform „FragdenStaat“ veröffentlicht (Text der Stellungnahme hier).

Bei fast jedem LoI stellt sich früher oder später die Frage, ob es sich dabei um eine verbindliche Vereinbarung oder eine reine Absichtserklärung handelt. Das Stadtentwicklungsamt Friedrichshain-Kreuzberg kommt zu dem Schluss, dass die Bindungswirkung des LoI nicht eindeutig ist und vieles dafür spricht, dass es sich um eine reine Absichtserklärung handelt. Wie bei jeder juristischen Frage gibt es „natürlich“ mindestens zwei unterschiedliche Meinungen, weshalb die Anwältinnen und Anwälte der SIGNA-Gruppe die Rechtsmeinung des Stadtentwicklungsamts mit Sicherheit nicht teilen werden.

Unsere Initiative wendet sich gegen die Neubauplanung der SIGNA-Gruppe auf dem „Karstadt-Areal“ am Kurfürstendamm. Im LoI sind die „Vereinbarungen“ zu diesem Projekt im Abschnitt 3 (Vereinbarungen zu einzelnen Projekten, Unterpunkt b „Kurfürstendamm“) niedergelegt. In Hinblick auf die für Juristinnen und Juristen typische Präzision von Formulierungen erstaunt mich als fremdem Leser schon die Überschrift „Kurfürstendamm“. Bekanntermaßen geht es bei diesem Projekt um die Neubauung fast des gesamten Blocks „Kurfürstendamm 231 durchgehend zur Augsburger Straße und Rankestraße“, der heute teilweise noch mit einem Parkhaus bebaut ist. Im zweiten Absatz des Abschnitts „Kurfürstendamm“ wird u.a. ein Arbeitsauftrag zur Erarbeitung eines „Masterplans“ vereinbart, eine Nutzungsmischung für den aufzustellenden vorhabenbezogenen Bebauungsplan entworfen („angestrebt wird…“) und ein Bezug zum „bezirklichen Werkstattprozess zur Entwicklung der City West“ hergestellt. Damit ist wohl die „Charta City West 2040“ gemeint, die in einem weiteren Blogartikel von unserer Initiative kritisch beleuchtet wird.

Fast der gesamte Abschnitt „Kurfürstendamm“ befasst sich mit bauplanungsrechtlichen Aspekten, die zum damaligen Zeitpunkt noch vollständig in der Verantworung des Bezirks Charlottenburg-Wilmersdorf lagen. Nun hat der Senat in seiner Sitzung am 12.01.2021 die „außergewöhnliche stadtpolitische Bedeutung für den Kernbereich der City West festgestellt„, womit zukünftig die Aufstellung und Festsetzung von Bebbaungsplänen bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen liegt. Wenn dort auf Basis des am 13.01.2021 vorgestellten „Entwicklungskonzepts City West“ die planerische Arbeit beginnt, wird es dabei zwangsläufig zu Zielkonflikten zwischen den planungsbezogenen „Vereinbarungen“ des LoI und einem vielen gesetzlichen Anforderungen unterliegendem Bebauungsplanverfahren kommen. Selbst für den von der SIGNA-Gruppe angestrebten vorhabenbezogenen Bebauungsplan (den die Initiative schon allein wegen des damit einhergehenden „systembedingten“ Zurückdrängens von Gemeinwohlinteressen ablehnt), kann der LoI nicht nur mangels Rechtsverbindlichkeit, sondern auch mangels Bestimmheit allenfalls eine marginale Bedeutung entfalten.

Mit dem ohne Not abgeschlossenen „Karstadt-Deal“ (LoI) haben die drei Senatsmitglieder Michael Müller, Ramona Pop und Dr. Klaus Lederer unserer Stadt einen Bärendienst erwiesen. Auch deshalb ist es richtig und wichtig, dass die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen mit dem am 13.01.2021 präsentierten „Entwicklungskonzept City West“ die Rahmenbedingungen für ein transparentes Planungsverfahren beim „Karstadt-Areal“ am Kurfürstendamm setzt!