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Wenn die wirtschaftsliberalen Eliten nahestehende FAZ einen kritischen Beitrag zur Stadtgestaltung in den City-Bereichen von Bremen, München, Berlin, Düsseldorf, Frankfurt/Main und Stuttgart veröffentlicht („Architektur ohne Wettbewerb“ von Matthias Alexander, FAZ vom 13.01.2021 / zugangsbeschränkt), ist das ein deutliches Zeichen dafür, dass die seit Beginn der neoliberalen Ära in den 1980er-Jahren festzustellende Vereinnahmung von Toplagen der Innenstädte durch große Immobilien-Investoren auf zunehmenden Widerstand in der Zivilgesellschaft und in Teilen der Politik stößt.

Einer der wichtigsten „Player“ auf dem Markt für Top-Immobilien an 1a-Standorten ist die im Jahr  2010 gegründete SIGNA Prime Selection AG , die sich nach eigener Ausssage „mittlerweile zu einer der größten Immobilienaktiengesellschaften Europas mit Trophy Assets in ausgezeichneten Innenstadtlagen in Österreich, Deutschland und Norditalien mit einem Gross Asset Value von über 15 Mrd. Euro entwickelt“ hat. Neben der Optimierung von teilweise weltberühmten Bestandsimmobilien wie des KaDeWe werden auch Neubauprojekte geplant, für die ein Abriss des Altbaubestandes erforderlich ist. In Berlin gehören dazu die beiden Galeria-Karstadt-Standorte am Hermannplatz und am Kurfürstendamm 231. An mehreren Beispielen erläutert der FAZ-Redakteur die Strategie der Investoren, die sich mit der Beschreibung „Überwältigung durch große Namen“ (von Architekten) zusammenfassen lässt. Aktuelle Paradebeispiele für diese Strategie sind der Entwurf der Schweizer Stararchitekten Jacques Herzog und Pierre de Meuron für zwei 155 m hohe Türme auf dem Paketposthallenareal in München (Investor dort ist die von Ralf Büschl geführte Büschl Unternehmensgruppe) und der Entwurf des Architekten David Chipperfield für das SIGNA-Projekt am Hermannplatz in Berlin. Es würde mich überhaupt nicht wundern, wenn SIGNA dem am 13.01.2021 von der Senatsbaudirektorin Regula Lüscher vorstellten „Entwicklungskonzept City West“, das Hochhäusern auf dem „Karstadt-Areal“ am Kurfürstendamm eine Absage erteilt, zeitnah eine spektakuläre Computersimulation mit Hochhäusern entgegenstellt. Dabei dürfte es auch den an Stadtplanungsfragen interessierten Laien klar sein, dass in diesem weitgehend von der Berliner Traufhöhe geprägten Baublock zwischen Kurfürstendamm, Augsburger Straße und Rankestraße Hochhäuser nur unter großen „bauplanungsrechtlichen Verrenkungen“ genehmigungsfähig wären.

Rechtliche und gestalterische Bedenken kann man „natürlich“ auch wie der Architekturkritiker der Süddeutschen Zeitung, Gerhard Matzig, im SZ-Artikel vom 24.09.2019 vom Tisch wischen, in dem man darauf verweist, dass große Architektur oftmals „nicht durch Partizipation, sondern durch den Gestaltungswillen mehr oder minder verrückter Investoren, Architekten, Herrscher“ entstanden ist. Dieser Argumentation zu folgen bedeutet nichts anderes als eine Refeudalisierung der Stadtplanung und Stadtgestaltung! Genau das ist nach meiner Ansicht ein wesentliches Ziel der SIGNA-Gruppe, die nach eigener Aussage „Trophy Assets in ausgezeichneten Innenstadtlagen“ sammelt, deren Anzahl notabene begrenzt ist und die aufgrund ihrer jeweils exponierten Lage das Stadtbild stark prägen.

Wenn die Bürgerinnen und Bürger von Berlin diesem „Geschäftsmodell“ keinen Widerstand entgegensetzen, werden wir alle die City West, die sich (noch) durch eine Nutzungsmischung und von wenigen Ausnahmen absehen durch einen Gebäudebestand nach „menschlichem Maß“ auszeichnet, nicht wiedererkennen. Deshalb ist es jetzt notwendig, dass die Zivilgesellschaft das „Entwicklungskonzept City West“ der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen unterstützt. In diesem Kontext sollte möglichst zeitnah ein Beteilungsverfahren stattfinden, das den  Bürgerinnen und Bürgern eine Mitsprache bei der Entwicklung „ihrer“ City West ermöglicht. Jedenfalls ist die weitere Entwicklung der City West viel zu bedeutsam, um sie allein Groß-Investoren wie SIGNA zu überlassen, die sich nach unserer Meinung entgegen wohlfeiler Lippenbekenntnisse nicht für eine lebenswerte Stadt einsetzen, sondern fast ausschließlich an der Maximierung der Rendite Ihrer Anteilseigner interessiert sind!

In den letzten Monaten hat die kontroverse Diskussion über die weitere Stadtplanung in der City West an Fahrt aufgenommen. Auf der einen Seite stehen große Immobilieninvestoren wie die SIGNA-Gruppe und der Lobbyverband „Arbeitsgemeinschaft City“, die zusammen mit dem Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf (Bezirksstadtrat Oliver Schruoffeneger/Grüne), der IHK zu Berlin, dem VBKI und dem Werkbund in der Sitzung am 02.09.2019 das „WerkStadtForum“ ins Leben gerufen haben. Dessen Auftrag war die Erarbeitung einer „Charta City West“, die in der Version vom 22.04.2020 im Internet abrufbar ist. Einer der wesentlichen Ziele dieser „Charta“ ist nach unserer Ansicht die Schaffung einer stadtpolitischen Legitimation für weitere große Bauprojekte, wobei hier aktuell die Entwicklung des „Karstadt-Areals“ am Kurfürstendamm 231 durch die SIGNA-Gruppe wohl die größte Einzelinvestition dargestellt.

Im November 2018 meldete die B.Z., dass auf dem Karstadt-Areal mehrere bis zu 150 Meter hohe Wolkenkratzer gebaut werden sollen. Diese Planungsidee der SIGNA-Gruppe wurde vom Beratungsgremium „Baukollegium Berlin“ auf der Sitzung vom 03.12.2018 abgelehnt (Meldung des Fachdienstes „Baunetz“ ). Damit hat sich die für die gesamtstädtische Entwicklung zuständige Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen nicht nur gegen die SIGNA-Gruppe, sondern auch gegen die Entwicklungsvorstellungen der AG City e.V. positioniert. In den Jahren 2019 und 2020 wurden diese „Hochhauspläne“ der SIGNA-Gruppe auf dem „Karstadt-Areal“ immer wieder kontrovers diskutiert, wie aus vielen Presseartikeln ersichtlich ist. Mit der Präsentation des „Entwicklungskonzepts City West“ bei der Sitzung des Ausschusses für Stadtentwicklung und Wohnen am 13.01.2021 hat die Senatsbaudirektorin Regula Lüscher nun die Ablehnung der „Hochhauspläne“ der SIGNA-Gruppe bekräftigt. Sobald der vom Senat in dieser Woche gefasste Beschluss der „Feststellung der außergewöhnlichen stadtpolitischen Bedeutung für den engeren Kernbereich der City West“ in Kraft getreten ist, geht die Zuständigkeit für die Aufstellung und Festsetzung von Bebauungsplänen auf die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen über.

Nur so kann nach unserer Ansicht verhindert werden, dass die weitere Entwicklung der City West durch Immobilien-Großinvestoren und die internationalen Finanzmärkte dominiert wird. Die Initiative „BerlinerInnen gegen SIGNA“ wird sich in den nächsten Monaten und Jahren für die Aufstellung von gemeinwohlorientierten Bebauungsplänen einsetzen, die den Interessen der Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt den Vorrang vor den auf Flächen- und Renditemaximierung setzenden Planungsvorstellungen von Immobilien-Großinvestoren wie der SIGNA-Gruppe geben!

Kiez statt Kommerz  | von Nicolas Sustr

Der mit Immobilienprojekten vertraute Redakteur Nicolas Sustr berichtet ausführlich über die Sitzung des Ausschusses für Stadtentwicklung und Wohnen am 13.01.2021 im Abgeordnetenhaus von Berlin, bei der die Senatsbaudirektorin Regula Lüscher das „Entwicklungskonzept City West“ vorgestellt hat. Im Artikel werden Aussagen der mit Stadtplanungsthemen befassten Ausschussmitglieder Katalin Gennburg (LINKE), Daniela Billig (GRÜNE), Daniel Buchholz (SPD) und Stefan Evers (CDU) sowie dem Bezirksstadtstadt von Charlottenburg-Wilmersdorf, Oliver Schruoffeneger (GRÜNE) und dem Vorstandsvorsitzenden der AG City e.V., Klaus-Jürgen Meier zitiert.

Artikel im ND (Neues Deutschland) vom 16.01.2021

Karstadt-Eigner Signa hält an Ku´Damm-Plänen fest | von Isabell Jürgens

Als erste Zeitung berichtet die Berliner Morgenpost über die für einige Beteiligte überraschenden Inhalte des Entwicklungskonzeptes City West, das von der Senatsbaudirektorin Regula Lüscher am 13.01.2021 im Stadtentwicklungsausschuss des Berliner Abgeordenetenhauses präsentiert wurde. Die Redakteurin Isabell Jürgens beschreibt darin das Planungskonzept der zuständigen Senatsverwaltung und die Reaktionen des Investors „SIGNA“, des SPD-Abgeordneten Daniel Buchholz, des Bezirksstadtrats Oliver Schruoffeneger (Grüne) und von Klaus-Jürgen Meier von der „AG City e.V. :

Artikel in der Berliner Morgenpost vom 14.01.2021

 

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