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NEUE KUNSTHALLE „POP KUDAMM“: Das trojanische Pferd eines weiteren Investors | von Laura Helena Wurth

Die freie Autorin der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (dort ist der Artikel auch am 22.05.2022 im Feuilleton erschienen) setzt sich zunächst kritisch mit der „Kunsthalle“ des Kulturmanagers Walter Smerling im Flughafen Tempelhof auseinander. Diese Ausstellungsfläche hat noch der alte Senat mit dem Regierenden Bürgermeister Michael Müller mit ca. 2,4 Millionen Euro unterstützt, was zu einem „Aufruhr“ bei vielen Berliner Künstler:innen geführt hat. Frau Wurth wundert sich deshalb, dass trotz dieses noch aktuellen Falls eines umstrittenen Kunstmarketings mit dem temporären Veranstaltungsort „POP KUDAMM“ der Signa Gruppe eine weiteres „trojanisches Kultur-Pferd in die Stadt trabt“. In diesem Fall geht es wie in der Immobilienbrache üblich um Imageaufwertung für den Investor, die auch durch die Kooperation mit der TU Berlin und der HDK Berlin erreicht werden soll. Veranstaltungen wie „Making Berlin“, zu der die für den Bebauungsplan des Projektes „Kudamm 231“ zuständige Senatsbaudirektorin Petra Kahlfeldt eingeladen war, dienen immer auch den wirtschaftlichen Interessen der Signa. Diese Veranstaltung wurde dann einen Tag vorher aufgrund von Krankheit abgesagt. Der Artikel schließt schließt mit der hochaktuellen Frage „Wem gehört die Stadt?“

Artikel Faz.net vom 22.05.2022

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Wenn der Investor einlädt: Berlins Senatsbaudirektorin erntet Kritik für Teilnahme am Runden Tisch von Warenhaus-Konzern | von Ralf Schönball

In der Baulücke neben dem GALERIA-Karstadt-Warenhaus am Kurfürstendamm hat die SIGNA-Gruppe am 29.04.2022 das „POP KUDAMM“ aus gestapelten Containern eröffnet. Dort soll nach Aussage von SIGNA „Stadtentwicklung künstlerisch interpretiert und kreativ erfahrbar werden“. Anlass des Artikels von Herrn Schönball ist ein Round-Table-Gespräch am 11.05.2022 mit dem Titel „Making Berlin“, am dem die Senatsbaudirektorin Prof. Petra Kahlfeldt, der Vorstand der „SIGNA Prime Selection AG“, Timo Herzberg sowie Architekt:innen und andere Bauexpert:innen teilnehmen werden. Die Teilnahme der für die Stadtentwicklung Berlins verantwortlichen Senatsrepräsentantin an einer Veranstaltung der SIGNA-Gruppe, die auf dem Karstadt-Areal am Kurfürstendamm ein umstrittenes Großprojekt plant, das von Senatsverwaltung für Stadtentwicklung genehmigt werden soll, war für das Architekturbüro „c/o now“ Anlass für eine Rundmail, mit der Architekt:innen zum Boykott dieser Veranstaltung aufgerufen wurden. Die Resonanz darauf war laut Artikel „ausnahmslos ermunternd und unterstützend“. Die Antwort bei der zuständigen Senatsverwaltung für Stadtentwicklung  auf die Anfrage des Tagesspiegel „Man sehe keine SIGNA-Projektlastigkeit“ ist angesichts des Ortes und des Veranstalters SIGNA-Gruppe erstaunlich.

Tagesspiegel vom 07.05.2022 (Onlineversion Tagesspiegel-plus/zugangsbeschränkt)

Dass ein Immobilieninvestor auf seinem Grundstück ein paar Container aufstellt, um Kunst auszustellen wäre an sich eigentlich keine Meldung wert. Mittels „Kunstförderung“ etwas Imagepolitur zu betreiben ist ein alter Hut. Dass „kreative“ Zwischennutzungen zur Adressbildung, also zur Wertsteigerung des Grundstücks, genutzt werden ist zwar im Vergleich zum klassischen Mäzenatentum ein neueres Phänomen, gehört aber inzwischen fast zum „Standardprogramm“ von investorengesteuerter Projekt-Promotion. Überraschend ist dann eher, wer sich so alles vor diesen Karren spannen lässt: Bei SIGNAs „POP KUDAMM“ mischen neben erwartbaren Kooperationspartner:innen mit der TU Berlin und der UDK auch zwei renommierte und vor allem überwiegend öffentlich finanzierte Universitäten mit. Da stellt man sich die Frage: Müssen deren Studierende jetzt mit ihren Studienleistungen die Werbeaktion eines privaten Immobilieninvestors unentgeltlich ausschmücken und vorantreiben?

Bemerkenswert ist auch das Narrativ, welches SIGNA hier propagiert: „POP KUDAMM ist ein temporärer Kulturort an dem Stadtentwicklung künstlerisch interpretiert und kreativ erfahrbar wird.“ Wie bereits in der Kampagne für den Karstadt-Neubau am Hermannplatz inszeniert sich die SIGNA-Gruppe hier als private Stadtentwicklerin, die mit dem „Point of Participation“ (POP) einen weiteren Versuch der Simulation einer Bürger:innenbeteilung startet, die bekanntlich eine Kernaufgabe der für die Bauleitplanung zuständigen Gemeinde ist.

Wahrscheinlich hat die Chuzpe, mit der ein Kaufhauseigentümer am Hermannplatz plötzlich ein Verkehrskonzept für das ganze Viertel rund um seine Immobilie verkündete, viele Verantwortliche in Politik und Verwaltung noch überrascht. Angesichts der weiteren Aktionen von SIGNA wie dem werbewirksamen „Re-Use-Wettbewerb“ für das Parkhaus an der Urbanstraße und dem „POP Kudamm“, verfestigt sich der Eindruck, dass SIGNA seine auf Profitmaximierung angelegten Pläne realisieren kann, weil der Berliner Senat mit Frau Giffey an der Spitze (von ihr ein „Wow“ zur flächenmaximierenden Umplanung am Hermannplatz) die SIGNA-Pläne willfährig unterstützt. Wer sich gegen die SIGNA Pläne stellte, wurde inzwischen in der Angelegenheit entmachtet wie der für das Karstadt-Areal am Hermannplatz eigentlich zuständige Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg. Alte Beschlüsse – wie die Ablehnung von Hochhäusern am Kudamm durch das Baukollegium unter Leitung der damaligen Senatsbaudirektorin Regula Lüscher- werden offensichtlich weitgehend ignoriert. Das Tempo, mit dem SIGNA hier buchstäblich durchregiert (denn der Senat scheint große Teile seiner Kompetenzen an SIGNA abgetreten zu haben) ist beeindruckend. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen fügt sich nach meinem Eindruck jedenfalls so offensichtlich wie unverständlich in die Rolle einer Erfüllungsgehilfin der SIGNA-Pläne.

Mittels anwaltlicher Abmahnungen, der Marktmacht bei Anzeigenkäufen oder auch der Übernahme von Medienbeteiligungen in Österreich und Deutschland nimmt die SIGNA nach meiner Meinung außerdem Einfluss auf die Berichterstattung über die ihr gehörenden Immobilien und Projekte. Im Kern (wenn man die Höhe des bilanziellen Vermögens als Maßstab nimmt) handelt es sich bei SIGNA um einen Immobilienkonzern, doch durch das Warenhaussegment verfügt das Unternehmen darüber hinaus über einen Machthebel, um Lokalpolitiker:innen unter Druck zu setzen: Die Drohung mit Arbeitsplatzabbau und Filialschließungen wurde jedenfalls in Berlin offensichtlich erfolgreich eingesetzt, um auf Senatsebene mit dem vielzitierten Letter of Intent vom 03.08.2020 Zusagen zu erhalten, die negative Vorentscheidungen auf Bezirksebene in positive Bescheide für Bauprojekte verwandeln, die sich insbesondere durch eine sehr hohe Flächenausnutzung (Geschossflächenzahl) „auszeichnen“.

Am Hermannplatz wie am Kudamm wird sich bald zeigen, ob diese Strategie aufgeht. Die persönliche Einladung an „junge Architekten“ sowie an einige Journalisten, sich zusammen mit der neuen, in Teilen der Architektenschaft umstrittenen Senatsbaudirektorin Petra Kahlfeldt und dem CEO von SIGNA Real Estate, Timo Herzberg, am 11. Mai 2022 an einen „Round Table“ unter dem Titel „Making Berlin“ zu setzen und das ausgerechnet in SIGNAs „temporärer Kunsthalle“ am Kurfürstendamm, wirft zumindest die Frage auf, ob die im Senat für Stadtentwicklungsthemen  zuständige Staatssekretärin keinen anderen Veranstaltungsort gefunden hat. Auch der Titel „Making Berlin“ im Kontext einer von der SIGNA-Gruppe organisierten Veranstaltung wird bei kritischen Beobachter:innen den Eindruck verstärken, dass es hier nicht um eine gemeinwohlorientierte Stadtentwicklung sondern die um die Maximierung der wirtschaftlichen Erträge einer hochvermögenden Investorengruppe in Gestalt der SIGNA-Gruppe handelt.

Update vom 04.07.2022

Die im Blogbeitrag thematisierte Veranstaltung „Making Berlin“ wurde von der SIGNA-Gruppe „wegen Krankheit“ kurz vor dem Termin 11.05.2022 abgesagt. Bisher ist auf der Internetseite von „POP Kudamm“ noch kein neuer Termin für diese Veranstaltung angekündigt (https://popkudamm.berlin/program/making-berlin/), an der u.a. die Senatsbaudirektorin Petra Kahlfeldt teilnehmen soll.

Signa-Neubau von Karstadt – Berliner Koalition streitet über Hermannplatz | von Ralf Schönball

Der auf Immobilien-Themen spezialisierte Tagesspiegel-Redakteur Ralf Schönball berichtet über die Sitzung des Ausschusses für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen im Berliner Abgeordnetenhaus am 14.03.2022. Die meiste Zeit wurde dabei für das SIGNA-Projekt am Hermannplatz aufgewendet. Im Artikel beschreibt Herr Schönball den schon längere Zeit bestehenden Protest von Anwohnern und auch den Konflikt innerhalb der Regierungskoalition. Während die SPD das Projekt nahezu vorbehaltslos unterstützt, äußern GRÜNE und LINKE scharfe Kritik. So kommt es momentan zu der denkwürdigen Konstellation, dass SPD, CDU, FDP und AfD das Projekt befürworten und auch als „Zählgemeinschaft“ die Mehrheit für den notwendigen Abgeordnetenhaus-Beschluss hätten. Der in der Ausschuss-Sitzung von der neuen Senatsbaudirektorin Petra Kahlfeldt präsentierte Terminplan für das Hermannplatz-Projekt zeigt, dass sich Herr Senator Andreas Geisel offensichtlich dem von der SIGNA-Gruppe aufgebauten Zeitdruck beugt und den vorhabenbezogenen Bebauungsplan 2-65 VE bis 2024 dem Abgeordnetenhaus zur Beschlussfassung vorlegen will.

Tagesspiegel vom 14.03.2022 (Online-Version)

Umstrittener Umbau von Karstadt – Signa mauert am Hermannplatz | von Uwe Rada

Der TAZ liegt eine parlamentarische Anfrage des GRÜNEN-Abgeordneten Julian Schwarze mit den Antworten der für das Bebauungsplan-Verfahren des SIGNA-Projektes „Karstadt Hermannplatz“ zuständigen Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen vor. Die neue Senatsbaudirektorin Petra Kahlfeldt teilt Herrn Schwarze u.a. mit, dass die geplante Nutzfläche ca. 107.000 m2 betragen soll. Damit liegt die aktuell geplante Nutzfläche um „10 bis 20 Prozent“ oberhalb der Werte, die von Vertreter*innen der SIGNA-Gruppe bisher öffentlich genannt wurden. Aus der Senatsantwort geht weiterhin hervor, dass SIGNA für gemeinwohlorientierte Nutzungen eine Gesamtfläche von ca. 4.550 m2 einplant, was ca. 4,3 % der Gesamtnutzfläche entspricht. Wie schon vom Senator für Stadtentwicklung und Wohnen, Andreas Geisel (SPD), angekündigt, soll der Aufstellungsbeschluss für den bauvorhabenbezogenen Bebauungsplan noch im März 2022 gefasst werden. Hinsichtlich der inhaltlichen Festlegungen des Bebauungsplans führt der TAZ-Redakteur Uwe Rada aus, dass  der Berliner Senat derzeit keine eigenen Forderungen an die SIGNA-Gruppe stellen will. Laut Frau Kahlfeldt soll „Grundlage des Aufstellungsbeschlusses das von der Vorhabenträgerin beantragte Vorhaben sein“.

TAZ vom 27.02.2022 (Online-Version)