Beiträge

Die Ruinen des René: Spaziergang zu stillstehenden Signa-Baustellen in Berlin | von Maik Novotny

Nach der Reportage in der Süddeutschen Zeitung „Big in Berlin“ vom 15.02.2024 (zugangsbeschränkt) berichtet die österreichische Zeitung DER STANDARD über die aktuell ruhenden Berliner Projekte der SIGNA. Dazu gehört der unfertige Rohbau des Projektes „P1“ in der Passauer Straße 1 direkt gegenüber dem KaDeWe. Der Redakteur Maik Novotny hat gleich zu Beginn seines Online-Beitrags ein Foto dieser stillstehenden Baustelle eingefügt. Ein großer Abschnitt des Artikels widmet sich dem Projekt am Kurfürstendamm 231 (Karstadt-Areal), auf dem SIGNA eine große Baumasse mit zwei Hochhäusern geplant hat. Dieses Projekt war im Januar 2021 der Anlass für die Gründung der Initiative „BerlinerInnen gegen SIGNA“, die im Artikel auch erwähnt wird. Unsere Expertin für Stadtplanung, die Architektin Theresa Keilhacker, wird von Herrn Novotny im Artikel ausführlich zitiert. Zum Ende des Artikel werden am Beispiel des von Anfang an umstrittenen Karstadt-Hauses am Hermannplatz die Aktionen beschrieben, die von SIGNA zur Beeinflussung der Bürgerinnen und Bürger bei diesem Projekt eingesetzt wurden.

DER STANDARD vom 25.02.2024 (Online-Version)

Berliner Signa-Projekte: Nun sind auch die Bauprojekte an Hermannplatz und Ku’damm insolvent | von Teresa Roelcke

Unter Bezugnahme auf die Insolvenzmitteilungen des Amtsgerichts Charlottenburg meldet die Online-Ausgabe des Tagesspiegel, dass für die SIGNA-Gesellschaften der Bauprojekte am Hermannplatz und am Kurfürstendamm 231 Insolvenzanträge gestellt wurden. Zum vorläufigen Insolvenzverwalter wurde vom Gericht wie den anderen deutschen SIGNA-Gesellschaften der Rechtsanwalt Prof. Dr. Torsten Martini bestellt. Auf Anfrage der Redakteurin Teresa Roelcke erklärt die Pressestelle der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, dass sich an den stadtentwicklungspolitischen Zielen durch die Insolvenzanträge nichts ändert und man auf einen leistungsfähigen Eigentümer warte, um dann die eingeleiteten Planungsverfahren fortzusetzen.

Tagesspiegel vom 23.01.2024 (Online-Ausgabe)

 

Signa-Pleite in Berlin : Krise ohne Konsequenzen | von Jonas Wahmkow

Der TAZ liegt exklusiv eine schriftliche Anfrage der Linken-Abgeordneten Katalin Gennburg an den Senat vor. Darin fragt Frau Gennburg den Senat, welche Konsequenzen er aus der wirtschaftlichen Krise der SIGNA-Gruppe (u.a. mit der Insolvenz der Signa Holding GmbH) zieht. Das Fazit der Senatsantworten ist, dass der Senat aus der massiven wirtschaftlichen Schieflage der SIGNA-Gruppe bisher keine Konsequenzen gezogen hat und trotz „Aussetzen“ der aktuellen Bauleitplanungsaktivitäten bei den Großprojekten am Hermannplatz und Kurfürstendamm 231 weiter an den von SIGNA dort vorgesehenen städtebaulichen Konzepten festhalten will. Die von SIGNA geplante enorme Auslastung der Grundstücke führt dazu, dass durch den hohen Grundstückswert weniger profitträchtige Nutzungen nicht realisierbar sind. Obwohl die SIGNA-Gruppe nach einhelliger Meinung aller Beobachter:innen keine ihrer Zusagen aus dem Letter of Intent (LoI) vom 03.08.2020 eingehalten hat, unterwirft sich der Senat weiterhin den Immobilienverwertungsinteressen der SIGNA. Erstmals bekannt wird durch die Anfrage von Frau Gennburg, dass der Senat beim von SIGNA an eine Tochter der Commerzbank verkauften „GALERIA-Weltstadthaus“ am Alexanderplatz, das Bestandteil des LoI war, bisher keine Zusage des neuen Eigentümers für den im Loi vereinbarten Erhalt der Warenhausflächen für 10 Jahre bekommen hat.

Artikel in der TAZ vom 21.12.2023 (Online-Ausgabe)

Berliner Abgeordnetenhaus |Grüne und Linke fordern Planungsstopp für Signa-Bauprojekte | rbb24 Inforadio

Im Beitrag berichtet der RBB über die heute Vormittag im Abgeordnetenhaus stattgefundene „Aktuelle Stunde“, wo auf Antrag der Fraktionen der GRÜNEN und der LINKEN über die Krise der SIGNA-Gruppe diskutiert wurde. Die beiden Oppositionsparteien fordern ein Planungsmoratorium für die Projekte am Hermannplatz und Kurfürstendamm. Die Wirtschaftssenatorin Franziska erklärte für den Senat, dass die Bebauungsplanverfahren nicht gestoppt werden. Ziel des Senats ist es, Arbeitsplätze bei der GALERIA Karstadt Kaufhof GmbH zu erhalten und die Standorte zu sichern. Laut Bericht der Nachrichtenagentur Bloomberg hat die SIGNA-Gruppe erhebliche Liquiditätsschwierigkeiten und versucht, von Investoren 2 Milliarden Euro einzuwerben.

Artikel in rbb24.de vom 16.11.2023

 

Immobilienkonzern in der Krise : Senat glaubt an Signa | von Jonas Wahmkow

Nach dem Bekanntwerden des Baustopps der Berliner SIGNA-Projekte berichten einige Berliner Medien über Reaktionen des Senats und der für Stadtplanungsthemen zuständigen Abgeordneten des Landesparlaments. Der TAZ-Redakteur richtet den Fokus auf die Großprojekte am Hermannplatz und Kurfürstendamm, die sowohl in der Landespolitik als auch in der Öffentlichkeit kontrovers diskutiert werden. Dabei gibt es innerhalb der Regierungspartei SPD unterschiedliche Meinungen. Der für die Bauleitplanung zuständige Senator Christian Gaebler will die Planungsaktivitäten seiner Behörde nicht stoppen. Demgegenüber zitiert der Artikel den stadtentwicklungspolitischen Sprecher der SPD-Fraktion, Mathias Schulz mit der Aussage, dass sich die Verwaltung ernsthaft überlegen sollte, ob sie die Bebauungsplanverfahren fortsetzt. Schon beim Projekt „Mynd/Alexanderplatz“ hat die SIGNA nach Erteilung des Baurechts das Projekt mit großem Gewinn an die Fondsgesellschaft Commerz Real weiterverkauft.

Artikel in der TAZ vom 08.11.2023 (Online-Ausgabe)

Immobilien- und Warenhauskonzern in Not: Das Kartenhaus bricht zusammen | von Jonas Wahmkow

In dem Artikel befasst sich der Redakteur zunächst mit den negativen Nachrichten zu SIGNA-Projekten in den letzten Wochen wie der Einstellung der Rohbauarbeiten am Prestige-Projekt „Elbtower“ in Hamburg. In Berlin als wichtigem SIGNA-Standort stellt sich die Lage anders dar. Im August 2020 hat der damalige Berliner Senat einen Letter of Intent (LoI) mit der SIGNA-Gruppe abgeschlossen, der Vereinbarungen zu den Großprojekten am Alexanderplatz, Hermannplatz und Kurfürstendamm enthält. Das Projekt Alexanderplatz ist im Sommer vollständig von der Fondsgesellschaft „Commerz Real“ übernommen worden. Für die beiden anderen Projekte laufen Bauleitplanungsverfahren bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. Bisher will der Stadtentwicklungssenator Christian Gaebler trotz der negativen Entwicklungen die Zusammenarbeit mit der SIGNA-Gruppe nicht beenden. Dafür wird er u.a von der für Stadtentwicklung zuständigen Sprecherin der LINKEN im Abgeordnetenhaus, Katalin Gennburg, scharf kritisiert.

TAZ vom 06.11.2023 (Online-Ausgabe)

Erhebliche Eingriffe in die Substanz: Landesdenkmalrat kritisiert Karstadt-Pläne am Berliner Hermannplatz | von Teresa Roelcke

Am kommenden Montag, den 15.05.2023 startet die „Frühzeitige Beteiligung der Öffentlichkeit gemäß § 3 Absatz 1 Baugesetzbuch“ für den Bebauungsplan VE-65. Im Artikel berichtet die Redakteurin Teresa Roelcke, dass der Landesdenkmalrat (LDR) den Entwurf des Architekturbüros Chipperfield kritisch sieht, da mit der Plänen „erhebliche Eingriffe in die denkmalgeschützte Substanz und den Bestand der 50er Jahre“ verbunden sind. Kritisiert wird auch die späte und nicht umfassende Beteiligung der Denkmalbehörde bei diesem umstrittenen Bauvorhaben der SIGNA-Gruppe. Dem Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg wurde in 2021 das Bebauungsplanverfahren von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung wegen seiner „gesamtstädtischen Bedeutung“ entzogen und seitdem trotz vielfältiger Kritik aus der Zivilgesellschaft vorangetrieben. Ein weiterer kritischer Punkt ist die U-Bahn-Infrastruktur unterhalb des Kaufhauses. Hier laufen aktuell Gespräche zwischen der BVG und der SIGNA-Gruppe zu einer „nachbarschaftlichen Vereinbarung“. Nach den Tunnelschäden durch den Hochhausbau am Alexanderplatz strebt die BVG eine verbindliche Vereinbarung zum Schadenersatz im Falle von Schäden an den BVG-Einrichtungen unter dem Hermannplatz und dem Karstadtgebäude an.

Artikel im Tagesspiegel vom 13.05.2023 (Online-Ausgabe)

Gentrifizierung in Berlin-Neukölln – Starbucks statt Mokka | von Jonas Wahmkow

Der Redakteur Jonas Wahmkow, der das SIGNA-Projekt am Hermannplatz schon länger begleitet, befasst sich in diesem Artikel u.a mit den Sorgen der im Umfeld des Hermannplatzes ansässigen Gewerbetreibenden, die schon jetzt mit steigenden Gewerbemieten konfrontiert sind. Diese Tendenz wird sich durch die geplanten Umbau des Karstadthauses und insbesondere die Schaffung von ca. 50.000 m2 hochwertiger Büroflächen verstärken. Die Nutzer:innen der neuen Büros werden durch ihre höhere Kaufkraft und ihre Konsumgewohnheiten auch Veränderungen bei Einzelhandel und Gastronomie hin zu höherpreisenden Angeboten anstoßen. Trotz dieser negativen Auswirkungen und des aktuell laufenden zweiten Insolvenzverfahrens der GALERIA Karstadt Kaufhof GmbH unterstützen insbesondere die SPD auf Senatsebene und die Neuköllner SPD mit dem Bezirksbürgermeister Martin Hikel die Planungen der SIGNA-Gruppe, die vom umstrittenen Unternehmer René Benko gegründet wurde.

Artikel in der TAZ vom 12.02.2023 (Online-Ausgabe)

Das auf der Internetseite der „SIGNA Prime Selection AG“ formulierte Unternehmensziel „Investition und das langfristige Halten außergewöhnlicher Immobilien in besten Innenstadtlagen“ erfordert eine umfangreiche Expertise in Fragen der Finanzierung, des Bauplanungsrechts, der Bautechnik, des Objektmanagements und auch der Unternehmenskommunikation gegenüber den zahlreichen „Stakeholdern“ (Finanzinstitute, Gesellschafter:innen, Mitarbeiter:innen, Kundinnen und Kunden, Grundstücksnachbar:innen, Gesellschaft, Politik und Verwaltung). Beim in Politik und Zivilgesellschaft kontrovers diskutierten Projekt am Hermannplatz versucht die SIGNA-Gruppe seit 2019, die öffentliche Meinung und politische Entscheidungsträger:innen durch einen „Dialog“ und flankierende Maßnahmen zu beeinflussen. Zunächst wurde dafür die Internetdomain „DIALOG-HERMANNPLATZ.de “ aktiviert, die laut Newseintrag im Juni 2020  in „Nicht ohne Euch“ (Hinweis 23.11.2023: Seite „Nicht ohne Euch“ ist offline) geändert wurde. Ein wichtiges Ziel dieser PR-Kampagne ist es, den Befürworter:innen des Hermannplatz-Projekts in Politik und Zivilgesellschaft „Argumentationshilfen“ an die Hand zu geben. Dazu werden auf der Internetseite u.a. (vermeintliche) Vorteile des Hermannplatz-Projektes aufgelistet, wozu insbesondere das wegen des Klimawandels intensiv diskutierte Thema „Nachhaltigkeit“ gehört. Wenn man sich die Stellungnahmen der für den Bebauungsplan und Baugenehmigung zuständigen Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen ansieht, trifft die von vielen Beobachter:innen als „Green Washing“ beurteilte Projektkommunikation (siehe u.a Artikel in der „Bauwelt„) beim zuständigen Senator Andreas Geisel und der Senatsbaudirektorin Petra Kahlfeldt auf Zustimmung. Somit hat die SIGNA-Gruppe wahrscheinlich ein wichtiges Etappenziel der „Nicht-ohne-Euch-Kampagne“ erreicht.

Nach unserer Einschätzung war der SIGNA-Gruppe schon zu Kampagnenstart klar, dass der kritische Teil der Anwohner:innen, die sich in der „Initiative Hermannplatz“ organisiert haben, nicht „die Seiten wechselt“, aber gleichzeitig positiv eingestellte Teile der Bevölkerung aktiviert werden können. Einige Vertreter:innen der „Pro-SIGNA-Fraktion“ haben sich dann auch wie von SIGNA erhofft beim Online-Verfahren „Grundlagenermittlung zum Masterplanverfahren Hermannplatz“ für das Projekt ausgesprochen. Nach heutigen Stand war die „Grundlagenermittlung zum Masterplanverfahren“ leider eine „Beteiligungsshow“, wie der Blick auf die von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen speziell für dieses Verfahren eingerichtete Internetseite „Hermannplatz miteinander“ (Diese Internetseite wurde deaktiviert/01.11.2022) zeigt. Obwohl das Beteiligungsverfahren in einen engen zeitlichen Rahmen gepresst wurde und die 2. Online-Beteiligungsrunde bereits am 16.01.2022 beendet war, ist bis heute (27.07.2022) das „Grundlagendokument“ nicht veröffentlicht worden. Dabei soll(t)en doch „alle Ergebnisse in ein Grundlagendokument überführt werden, welches als Basis für ein zukünftiges Masterplanverfahren dient“. Während also das von der Öffentlichen Hand und damit letztlich von den Steuerzahler:innen finanzierte Bürgerbeteiligungsverfahren offensichtlich im Sande verläuft, verkündet die SIGNA-Gruppe auf der Internetseite „Nicht ohne euch“(Hinweis 13.11.2023: Seite ist offline): „Unter Führung der zuständigen Verwaltung wollen wir euch an der Mitgestaltung des Karstadts am Hermannplatz in transparenter Form beteiligen„. Der Berliner Senat delegiert also – ob bewusst oder unbewusst spielt im Ergebnis keine Rolle – die Bürgerbeteiligung an eine private Unternehmensgruppe, die natürlich auch den ihren wirtschaftlichen Interessen entsprechenden „Input“ für den vorhabenbezogenen Bebauungsplan liefern wird.

Diese aus unserer Sicht fatale Entwicklung beginnt spätestens im Frühsommer 2020, als unter Ausschluss der Öffentlichkeit und auch der Legislative (Bezirksverordnete bzw. Landesabgeordnete) Gespräche zwischen dem damaligen Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD), Ramona Pop (Bündnis 90/Die Grünen) und Dr. Klaus Lederer (Die Linke) auf Senatsseite sowie Timo Herzberg und Miguel Müllenbach auf Seiten der SIGNA-Gruppe geführt werden. Ein erstaunlich schneller Erfolg hat sich für die SIGNA-Gruppe mit dem Abschluss des Letter of Intent (LoI) am 03.08.2020 eingestellt, den wir in einem Blogbeitrag zum „Karstadt-Deal“ kritisiert haben. Im LoI wurde u.a. vereinbart, für das Hermannplatz-Projekt einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan aufzustellen, womit die bis dahin bestehende Ablehnung des Projektes durch das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg in Frage gestellt wurde. Nachdem das Bezirksamt auch in den folgenden Monaten keine Vorbereitungen zur Aufstellung eines Bebauungsplans eingeleitet hatte, wurde im Juli 2021 durch den für die Bauleitplanung auf Landesebene zuständigen Senator Sebastian Scheel (Die Linke) das Karstadt-Areal am Hermannplatz zu einem Vorhaben von gesamtstädtischer Bedeutung erklärt. Seitdem liegt die Planungshoheit beim Berliner Senat. Nach den Neuwahlen zum Abgeordnetenhaus hat die SPD das Stadtentwicklungsressort für sich reklamiert und schon kurz nach Übernahme der Amtsgeschäfte im Dezember 2021 hat der neue Senator für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen, Andreas Geisel (SPD), den Aufstellungsbeschluss für den im LoI versprochenen vorhabenbezogenen Bebauungsplan angekündigt, der gemäß der Pressemitteilung vom 14.03.2022 mit der Bezeichnung „2-65VE“ am 09.03.2022 gefasst wurde. Es läuft also aus Sicht der SIGNA-Gruppe „alles rund“, was sich auch in dem auf der Startseite von „Nicht ohne euch“  dargestellten Zeitplan manifestiert, der den Baustart auf 2023 terminiert.

Abschließend wollen wir noch den für die PR-Kampagne gewählten Slogan „Nicht ohne euch“ unter semantischen Gesichtspunkten betrachten. Interessant ist zunächst der Wechsel des Internetdomain-Namens vom nüchtern klingenden „Dialog Hermannplatz“ zum emotionalen „Nicht ohne Euch“ im Juni 2020. Zu diesem Zeitpunkt war nicht mehr von der Hand zu weisen, dass die kritische Einstellung vieler Anwohner:innen sich nicht verändern wird und allenfalls ein ergebnisoffener Dialog die Wogen glätten könnte, der die geplante Flächenmaximierung mit dem Schwerpunkt auf Büroflächen (laut Senatsangabe 45.000 m2 im Vergleich zu 23.400 m2 Verkaufsfläche) sehr wahrscheinlich in Frage stellen würde. Ein solches Ergebnis wäre allerdings mit dem von der SIGNA-Gruppe geplanten und den Investoren längst fest versprochenen, stark am historischen Karstadt-Kaufhaus orientierten Bauprojekt unvereinbar. Bei dieser „Gefechtslage“ war und ist „Dialog“ aus Sicht der beauftragten PR-Profis sicherlich das falsche Wording. Stattdessen hat man sich für „Nicht ohne euch“ entschieden, was eindeutig deklamatorischen Charakter hat, wobei es auch appellative Textpassagen wie „Darum laden wir alle Menschen aus Neukölln, Kreuzberg und Berlin ein, unsere Vision eines neuen identitätsstiftenden Karstadt am Hermannplatz zu diskutieren“ gibt.

Wenn man das „Nicht ohne euch“ inhaltlich eng auslegen würde, müsste SIGNA die laufenden Planungen aufgrund des anhaltenden Widerstands der Anwohner:innen, die im März 2022 Abgeordneten des Berliner Landesparlaments 6.000 Unterschriften gegen das Projekt übergeben haben, stoppen. Das war und ist natürlich nie die Absicht der SIGNA-Verantwortlichen gewesen, weshalb das „Nicht ohne euch“ spätestens seit März 2022 als irreführender PR-Slogan angesehen werden kann. Bei diesem Großprojekt (Investitionsvolumen im dreistelligen Millionenbereich) findet wie im zweiten Absatz beschrieben eine „Beteiligungsshow“ des Berliner Senats statt, die dem im Mai 2020 von Senat und Abgeordnetenhaus bestätigten Umsetzungskonzept der „Leitlinien für Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern an der Stadtentwicklung“ auch nicht ansatzweise genügt. Diese insbesondere für die Anwohner:innen und Gewerbetreibenden im Umfeld des Hermannplatzes fatale Situation wird mit Billigung des Senats durch die PR-Kampagne „Nicht ohne euch“ der SIGNA-Gruppe weiter verschärft, die entgegen blumiger Aussagen auf der Internetseite in erster Linie dazu dient, das Projektziel der Maximierung des wirtschaftlichen Ertrags für die Gesellschafter:innen der SIGNA-Gruppe zu erreichen.

Update 13.11.2023

Bei der Prüfung der Google-Suchergebnisse zum SIGNA-Projekt „Hermannplatz“ haben wir festgestellt, dass die in diesem Blog-Beitrag thematisierte Internetseite „Nicht ohne Euch“ von der SIGNA-Gruppe offline gestellt wurde.

Auf der von der „SIGNA Real Estate Management Germany GmbH“ betriebenen Internetseite „„Nicht ohne euch“ kann man sich einen Überblick über den aktuellen Planungsstand des Projekts „Karstadt am Hermannplatz“ verschaffen. Allerdings zeigt die Timeline als gegenwärtig letzten Meilenstein die Projektvorstellung in der Bezirksverordnetenversammlung Neukölln im Januar 2020. Das hängt wohl auch damit zusammen, dass das Projekt vom Baustadtrat von Friedrichshain-Kreuzberg, Florian Schmidt (GRÜNE) abgelehnt wurde und seine Behörde die Aufstellung eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans für das SIGNA-Projekt abgelehnt hat (siehe Pressemitteilung des Bezirksamtes Friedrichshain-Kreuzberg vom 30.08.2019). Auf Kritik ist diese Haltung insbesondere bei Politiker:innen der SPD wie dem damaligen Regierenden Bürgermeister Michael Müller, der jetzigen Regierenden Bürgermeisterin Franziska Giffey und dem SPD-Bürgermeister von Neukölln, Martin Hikel gestoßen, die das SIGNA-Projekt schon immer befürworten. Die übrigen Parteien AfD, CDU und FDP spielen in der „Causa Hermannplatz“ nur eine untergeordnete Rolle, da Sie weder auf Bezirksebene noch auf Landesebene die politische Führung stellen.

Im Folgenden werden die Vorgänge auf Bezirksebene deshalb nicht weiter thematisiert, weil die bis zum Regierungswechsel vom LINKEN-Politiker Sebastian Scheel geleitete Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen dem Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg die Planungshoheit entzogen hat. Diese für die weitere Projektentwicklung überaus wichtige Informationen wurde der Öffentlichkeit erst bei der am 05.11.2021 stattgefundenen Auftaktveranstaltung zur „Grundlagenermittlung für das Masterplanverfahren Hermannplatz“ mitgeteilt.  Die für die Übernahme der Planungshoheit erforderliche Feststellung der ,,außergewöhnlichen stadtpolitischen  Bedeutung  gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AGBauGB“ kann man schon angesichts des vom Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg festgestellten fehlenden Planerfordernisses in Zweifel ziehen. Die eigentliche Ursache für diesen fragwürdigen Verwaltungsakt der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen findet man im von vielen Medien „Karstadt-Deal“ genannten Letter of Intent (LoI), der am 03.08.2020 zwischen den Senatsmitgliedern Michael Müller, Ramona Pop und Klaus Lederer sowie der „Signa Prime Selection AG“ und der „Galeria Karstadt Kaufhof GmbH“ abgeschlossen wurde.

Auch wenn dieser LoI eine Vorgeschichte hat und das Land Berlin schon im Frühjahr 2020 an einer Bürgschaft für die Betreibergesellschaft des KaDeWe beteiligt war (Bericht hierzu im Tagesspiegel), konzentrieren wir uns in diesem „Teil 1“ der Beschreibung der Förderung neofeudaler Entwicklungen durch den Berliner Senat auf die Zeit zwischen der Unterzeichnung des LoI am 03.08.2020 bis zur Auftaktveranstaltung zum „Masterplanverfahren Hermannplatz“ am 05.11.2021.  Im Kontext des SIGNA-Projekts „Hermannplatz“ sind die meisten Entscheidungen von einzelnen Senatsmitgliedern getroffen worden, was Außenstehende, die den Berliner Senat in der Regel als monolithisches Organ der Exekutive wahrnehmen, vielleicht überraschen wird:

Regierungszeit des Müller-Senats (2017 – 2021)

1.) Michael Müller (SPD) / Regierender Bürgermeister

Der ehemalige Regierende Bürgermeister Michael Müller ist unserer Ansicht nach der maßgebliche Akteur auf Seiten des Senats bei der Verhandlung des Letter of Intent (LoI) mit der SIGNA-Gruppe. Sein Einsatz für den teilweisen Erhalt von Karstadt-Standorten ist angesichts des im Sommer 2020 laufenden Insolvenzverfahrens der Galeria Karstadt Kaufhof GmbH grundsätzlich lobenswert. Im Letter of Intent  wurden von der „Galeria Karstadt Kaufhof GmbH“ Betriebszusagen für vier Karstadt-Standorte von zunächst 3 bis 10 Jahren gemacht, die jedoch mit keinen  Sanktionen bei vorzeitiger  Schließung verknüpft wurden. Diese Beurteilung wird durch eine juristische Stellungnahme des Stadtplanungsamtes Friedrichshain-Kreuzberg bestätigt. Demgegenüber stehen umfangreiche baurechtliche Zusagen für die drei Großprojekte der SIGNA-Gruppe am Alexanderplatz, Hermannplatz und am Kurfürstendamm, die allesamt eine Nutzungsdauer von mindestens 50 Jahren haben werden.

Dieses ins Auge springende Ungleichgewicht und die damit verbundenen enormen wirtschaftlichen Vorteile für die SIGNA-Gruppe hat Herr Müller in Kauf genommen, weil er nach alter SPD-Tradition die Neubauaktivitäten der privaten Immobilienwirtschaft uneingeschränkt positiv bewertet und negative Begleitumstände des „Karstadt-Deals“ systematisch ausgeblendet hat. Ein weiteres Beispiel für diese Denkweise ist seine auf der offiziellen „Berlin-Seite“ gemeldete Teilnahme an der Veranstaltung der russischen MonArch-Gruppe am 27.11.2019, wo der erste Spatenstich für das 150m-Hochhaus „Alexander Berlin’s Capital Tower“ gefeiert wurde. Offensichtlich hat der Regierende Bürgermeister weder kritische Fragen zur Herkunft des Investitionskapitals gestellt, noch hat er sich an dem für die Wohnraumversorgung breiter Schichten der Bevölkerung völlig ungeeigneten Luxuswohnungskonzept gestoßen. Auch das von Beginn an fragwürdige Neubauprojekt der Trockland-Gruppe am Checkpoint Charlie hat er fast bis zum letzten Moment verteidigt, obwohl ihm der schillernde Investorenkreis mit Verbindungen in Steueroasen frühzeitig bekannt war.

Im Ergebnis hat Michael Müller in seiner Amtszeit als Regierender Bürgermeister dem Neofeudalismus erheblichen Vorschub geleistet. Unter Vernachlässigung von Gemeinwohlinteressen und dem Ziel einer sozial ausgewogenen Stadtentwicklung wurden und werden bis heute Immobilien-Großinvestoren wie die SIGNA-Gruppe vom SPD-geführten Berliner Senat hofiert. Dabei blendet der Senat wider besseren Wissens aus, das es diesen Investoren entgegen blumiger Presseerklärungen mitnichten um die Verbesserung der Lebensbedingungen der Berlinerinnen und Berliner, sondern ausschließlich um die Steigerung des Vermögens ihrer Gesellschafter:innen und nebenbei um die Erstellung von „Leuchtturm-Immobilien“ wie Hochhäusern geht, die das Stadtbild prägen sollen. Damit wandeln diese Immobilien-Großinvestoren auf den Spuren des Adels, der mit seinen Repräsentativbauten über Jahrhunderte die europäischen Städte stark beeinflusst hat. Der vom Magazin „DER SPIEGEL“ (Heft 06/2022) abgedruckte Recherche über den SIGNA-Gründer René Benko trägt den dazu passenden Titel „Die Stadt bin ich“. Genau mit diesem Anspruch treten der SIGNA-Gründer René Benko und sein „Berlin-Statthalter“ Timo Herzberg auch gegenüber dem Senat und den Abgeordneten in Berlin auf.

2.) Ramona Pop (Bündnis 90/Die Grünen) / Senatorin für Wirtschaft, Energie und Betriebe

Mit Amtsantritt des neuen Senats im Dezember 2021 ist Ramona Pop aus dem Senat und der Berliner Landespolitik ausgeschieden. Als Bürgermeisterin von Berlin und Senatorin für Wirtschaft, Energie und Betriebe hat Sie am 03.08.2020 den Letter of Intent mit der SIGNA-Gruppe unterschrieben. Am 27.09.2020 hat Frau Pop dann zusammen mit Timo Herzberg, dem „CEO Real Estate Germany“ der SIGNA-Gruppe, eine Ausstellung zur Geschichte des Karstadt-Kaufhauses am Hermannplatz eröffnet. Als für die Berliner Wirtschaft verantwortliches Senatsmitglied ist die Teilnahme an dieser PR-Veranstaltung der SIGNA-Gruppe wohl als „üblich“ zu bewerten. Allerdings verkennt die Senatorin dabei wie viele andere politische Entscheidungsträger:innen aber sowohl die damit einhergehenden Signale an die Anwohner:innen des Hermannplatzes (nur Zeit für SIGNA), als auch die sich Schritt für Schritt ausbildende engere Beziehung zu SIGNA („Man kennt sich, man vertraut sich“). Auch wenn diese Beziehung durch das Ausscheiden von Frau Pop aus der Landespolitik beendet ist, steht zu erwarten, dass die SIGNA auch zu ihrem Amtsnachfolger Stephan Schwarz regelmäßig den Kontakt suchen wird.

3.) Dr. Klaus Lederer (Die LINKE) / Senator für Kultur und Europa

Als Bürgermeister und Senator für Kultur und Europa gehört Dr. Klaus Lederer auch dem neuen Berliner Senat an. Als drittes Senatsmitglied und Bürgermeister von Berlin sowie Senator für Kultur und Europa hat er am 03.08.2021 den Letter of Intent mit der SIGNA-Gruppe unterschrieben. Knapp drei Wochen danach hat der LINKEN-Parteitag gegen die auch „Karstadt-Deal“ genannte Vereinbarung gestimmt und dem Senator nach Worten der B.Z. damit eine „schwere Klatsche“ bereitet. Offensichtlich konnte er die Parteibasis nicht davon überzeugen, dass die temporäre Sicherung von ca. 500 Arbeitsplätzen ein solchen Wert hat, dass der Senat im Gegenzug die drei schon damals hochumstrittenen Großprojekte der SIGNA nach Kräften unterstützt. Herr Dr. Lederer hat bekanntlich ein Jurastudium mit der zweiten Staatsprüfung abgeschlossen.  Deshalb ist es für uns erstaunlich, dass im Letter of Intent keine Sanktionen für Vertragsbrüche der Warenhausgesellschaft „Galeria Karstadt Kaufhof GmbH“ vorgesehen sind und bei den in Aussicht gestellten Genehmigungen für die drei Großprojekte grundlegende Regeln des Bauplanungsrechts ignoriert wurden. Dies ergibt sich aus einem Gutachten des TU-Professors Christian-W. Otto, aus dem die Zeitung ND-der Tag zitiert „Abgeordnete können Nein sagen„. Sowohl in der alten als auch der neuen Legislaturperiode ist das Landesdenkmalamt eine der Senatsverwaltung für Kultur und Europa nachgeordnete Behörde, die somit der Fachaufsicht unterliegt und für deren Entscheidungen nach unserer Ansicht Herr Dr. Lederer die alleinige politische Verantwortung trägt. Vor diesem Hintergrund ist es unverständlich, dass der Kultursenator keinen Einfluss auf die Entscheidungen des Landesdenkmalamts ausübt. Schließlich plant die SIGNA-Gruppe mit Zustimmung des Landesdenkmalamtes, das unter der Nummer 09031163 in der Berliner Denkmalliste eingetragene Karstadt-Warenhaus weitestgehend zu entkernen, mit einer Holzkonstruktion aufzustocken und abschließend mit einer an die Ursprungsgestaltung angelehnten Fassade zu verkleiden. Uns drängt sich hier der Eindruck auf, dass dem für Kultur zuständigen Senator die weitere baukulturelle Entwicklung der Stadt herzlich egal ist und er keinen Widerstand gegen pseudohistorische, an Disney-Parks erinnernde Solitäre wie den SIGNA-Neubau am Hermannplatz leisten will.

4.) Sebastian Scheel (Die LINKE) / Senator für Stadtentwicklung und Wohnen

Mit Amtsantritt des neuen Senats im Dezember 2021 ist Sebastian Scheel aus dem Senat ausgeschieden und hat auch sein bei der Wahl errungenes Abgeordnetenhaus-Mandat nicht angetreten. Vielleicht hängt dieser abrupte Ausstieg aus der Berliner Landespolitik auch mit den undankbaren Aufgaben zusammen, die er als Amtsnachfolger von Kathrin Lompscher seit 20. August 2020 zu bearbeiten hatte. Dazu gehört wohl neben dem gescheiterten Mietendeckel-Gesetz auch das SIGNA-Projekt am Hermannplatz, bei dem der Senator sowohl aus seiner Partei als auch der Zivilgesellschaft erheblichen Gegenwind bekommen hat. Nach dem Abschluss des LoI mit der SIGNA-Gruppe gab es im Ausschuss für Stadtentwicklung und Wohnen zwar eine aufwändige Präsentation der Berliner SIGNA-Projekte durch das Vorstandsmitglied Timo Herzberg. Von konkreten Planungsschritten der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen haben wir und viele andere Beobachter:innen aber bis zur Auftaktveranstaltung zum „Masterplanverfahren Hermannplatz“ am 05.11.2021 nichts mitbekommen. An diesem Abend hat die damalige Staatssekretärin Wenke Christoph überraschend mitgeteilt, dass die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen die Planungshoheit für das SIGNA-Projekt am Hermannplatz übernommen hat. Das dem Projekt kritisch gegenüberstehende Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg ist damit „aus dem Spiel“ und der neue Senator für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen, Andreas Geisel (SPD) hat „freie Bahn“. Möglicherweise wird Herrn Scheel heute klar geworden sein, dass er mit seiner Entscheidung zur Übernahme der Planungshoheit den Anwohner:innen und Gewerbetreibenden am Hermannplatz einen veritablen Bärendienst erwiesen hat. Die schlechte Kommunikation der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen in der „Causa Hermannplatz“ hat die „Initiative Hermannplatz“ treffend als „Beteiligung von oben nach unten“ bezeichnet. Und man könnte noch ergänzen, dass die Aktivitäten der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen geeignet sind, dem Neofeudalismus auch am Hermannplatz zum Durchbruch zu verhelfen.

Offensichtlich sehen die an der „Causa Hermannplatz“ beteiligten Mitglieder des Müller-Senats die Bürger:innen als Untertanen und Figuren auf dem Schachbrett des Großkapitals, das mit seinem Geld und dem wolkigen Versprechen von Arbeitsplätzen für die positive wirtschaftliche Entwicklung der Stadt für unverzichtbar gehalten wird. Diese Einstellung setzt sich leider auch im neuen Senat unter Führung von Franziska Giffey (SPD) fort. Dazu mehr im Teil 2.